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Tenor Behle: "Message bei 'Clemenza' ist unheimlich stark"

Daniel Behle ist als Tenor einer der Gefragten seines Fachs und doch als ausgebildeter Posaunist und Komponist in vielen Genres und Formaten unterwegs. So veröffentlichte der 49-jährige Sohn der Grazer Bühnendoyenne Renate Behle mit "Hopfen und Malz" seine erste Operette oder lud mit der CD "Mein Hamburg" zu hanseatischen Volksweisen. Bei den Salzburger Pfingstfestspielen singt Behle nun ab 17. Mai unter Regie von Robert Carsen in Mozarts "Clemenza di Tito" die Titelpartie.

Daniel Behle blickt der Salzburger 'Clemenza' entgegen
Daniel Behle blickt der Salzburger 'Clemenza' entgegen

Aus diesem Anlass sprach die APA mit Behle über die Frage, ob Oper die Realität abbilden darf, "Star Trek" als subversive Propaganda im besten Sinne, warum er sich nicht nur auf ein Pferd konzentriert und weshalb ihm von Veranstaltern abgesprochen wird, noch Bach singen zu können.

APA: Sie sind als Tenor an der Spitze Ihrer Zunft und betätigen sich als Tausendsassa doch auch in ganz anderen Gefilden. Weshalb?

Daniel Behle: Weil ich Sachen mache, die teils neben der Spur sind? Ich interessierte mich schon immer sehr breitgefächert und genreübergreifend für Musik. Als studierter Posaunist und Komponist, bin ich froh diese "Beta-Talente" nun unter dem Mantel des Gesanges ein bisschen ausleben zu können. Meine ganzen arrangierten und komponierten Konzeptalben erzählen z.B. von den Möglichkeiten beim Vermeiden des "Mainstreams". Nicht mit dem Hammer, sondern hoffentlich mit Stil.

APA: Das bedeutet, es geht Ihnen bei diesen Projekten gar nicht um die Stimmhygiene, sondern um Ihr persönliches Interesse?

Behle: Beides. Ich liebe es zum Beispiel auch Liederabende zu geben und Oratorien zu singen, auch wenn gerade letztere schwierig werden zu bekommen, seit ich Wagner singe. Mir sprechen tatsächlich Veranstalter ab, dass man noch Bach singen kann, wenn man Wagner singt! Dabei geht alles, wenn man seiner Stimme treu bleibt. Ich versuche mein Künstlerleben bunt zu halten. Die Dinge gelingen mir besser, wenn ich mich nicht auf ein Pferd konzentriere.

APA: Und die "Clemenza" gehört für Sie in diese Kategorie? Viele haben mit dem Werk ja nicht zuletzt wegen der langen Rezitative ihre Probleme...

Behle: Ich gehe bei Robert Carsen davon aus, dass es toll wird. Und tatsächlich hat er viele der Rezitative nicht wie in den meisten anderen Produktionen gestrichen, und das hilft natürlich für die Darstellung und Lebendigkeit meiner Figur. Für mich als Nicht-Italiener ist das aber auch durchaus herausfordernd. Ich darf nicht darüber hinwegsingen, muss alles im Moment verstehen, um eine Geschichte zu erzählen.

APA: Sie erarbeiten sich Ihre Rollen aus dem psychologischen Ansatz heraus?

Behle: Es wäre extrem langweilig, wenn ich das nicht machen würde! Man kommt zwar gut durch, wenn die Musik sehr stark oder wie bei vielen italienischen Opern beinahe volksmusikhaft ist. Ein zehnminütiges Rezitativ hingegen ist harmonisch eher von der schlichteren Seite. Wenn ich da nicht interpretiere, bliebe nicht viel über, was die Leute am Einschlafen hindert. Außerdem hilft es mir natürlich, auch selbst dranzubleiben. Sonst biegt man einmal falsch ab, und dann ist Schicht im Schacht und man findet nicht wieder zurück.

APA: Warum gehört in Ihren Augen die "Clemenza" zu den seltener gespielten Opern Mozarts?

Behle: Die Message bei "Clemenza" ist unheimlich stark - gerade in einer Zeit, in der die Welt wieder sehr kriegssüchtig wird. Da ist die Friedensbotschaft dieser Oper wichtiger denn je. Eventuell fehlt es aber an den Gassenhauern, wie z.B. einer Königin-der-Nacht-Arie oder ähnlichem, welche eine Oper oft so populär macht. An der Geschichte kann es nicht liegen. Die Oper ist spannend wie eine Folge "House of Cards".

APA: Kann Macht und Milde wirklich Hand in Hand gehen oder ist das schlicht eine Fiktion?

Behle: Es wäre toll. Man muss aber sehr sicher im Sattel sitzen, um sich das leisten zu können. Wenn man Schwäche zeigt, ist man angreifbar. Erst einmal muss der Magen voll und alle zufrieden sein, dann kann man über Milde reden. Aber Oper soll ja nicht die Realität abbilden. Vielleicht will man in der Oper ein Ideal sehen, wie es sein könnte. Ich bin ja auch großer "Star Trek"-Fan - auch da ist die Message stets, dass wir es mit Menschlichkeit letztlich immer schaffen können. Das ist subversive Propaganda - im besten Sinne.

APA: Ist diese Subversion auch der Grund für Ihre Affinität zur Operette?

Behle: Da kann ich Kleingeisterei oder Fremdenfeindlichkeit in eine Geschichte verpacken, die einfach zu verstehen ist. Bei "Hopfen und Malz" hatte ich das Problem, dass ich es zu gut verpackt hatte und die Leute es teils gar nicht mehr gemerkt haben. (lacht) Das habe ich jetzt in einer Neufassung versucht zu ändern.

APA: Welchen Erfolg erhoffen Sie sich mit Ihren Operetten?

Behle: Mein Wunsch wäre, dass ich die Stücke an mittlere Häuser im Repertoire etablieren kann. Ich bin immer ein Freitonaler gewesen und habe mich über die Avantgarde lustig gemacht. Gerade an kleineren Häusern sehe ich oft einen großen Bedarf an aufführbaren Stücken. Das hoffe ich zu ändern. Das Zitat aus dem Libretto "Ich bin flexibel wie die Bibel" ist zum Beispiel ein Satz, der sehr viel aussagt und doch zum Lachen anregt. Denn das Tolle an der Operette ist: Ich darf Dich abgrundtief beleidigen, aber eben durch die Blume. Es ist nicht vulgär, sondern hat immer Charme. Das ist schön und hat Humor. Und Humor findet man in der modernen Musik nur sehr selten.

APA: Was ist die Rolle von Kultur in einer Gesellschaft?

Behle: Ich würde mir sehr wünschen, sie würde eine viel größere Rolle spielen. Dass wir uns als Deutsche zum Beispiel nicht nur über Fußball definieren, sondern auch über unsere Herkunft als Land der Dichter und Denker. Diese Kultur macht eine Gesellschaft demokratisch und lebbar.

(Das Gespräch führte Martin Fichter-Wöß/APA)

(S E R V I C E - www.salzburgerfestspiele.at/p/la-clemenza-di-tito-pfingsten-2024)

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